Wir sind wieder da!

Wie Branche und Publikum die Rückkehr des Kinos feiern

Endlich gibt es eine Perspektive: Bundesweit wurde der 1. Juli als Termin für Kinostarts verabredet - auch wenn einige Häuser den Betrieb schon vorher aufgenommen haben. Die derzeit niedrigen Inzidenzwerte ermöglichen den Schritt, und auch wenn er mit Hygienevorschriften verbunden ist: Zuschauer, Theaterbetreiber und Filmverleiher fiebern diesem Moment entgegen. Eine breite Palette neuer, teils mehrfach verschobener Kinofilme zeigt, dass es nicht nur bei Sendern und Streamern bunt zugeht. Und Hitzewellen und König Fußball sind die traditionellen Sommer-Gegner, mit denen man es schon immer aufgenommen hat.
Mit Aktionen unter dem Motto “Runter von der Couch, rein ins Kino!” macht die Branche auf sich aufmerksam. Schließlich gilt es, die massiven Verluste des letzten Jahres auszugleichen. Aufzuholen sind sie nicht. Eine Kampagne rückt gezielt die Emotionen in den Mittelpunkt, derentwegen das Kinoerlebnis vermisst wurde: Tränen, Lachen, Gänsehaut, Stars, erste Küsse und jede Menge Popcorn sind die Bilder, die übermittelt werden. Facebook unterstützt die Kinobetreiber bei der Wiedereröffnung und spielt den Spot in verschiedenen Varianten ab dem 24. Juni.

Immerhin, die Open-Air-Sommer-Berlinale war mit über 60.000 verkauften Ticktes ein voller Erfolg. Die Marketingabteilungen und Filmpresse-Agenturen stöhnen unter der Flut von Filmen, deren Starts mehrfach verschoben wurden und die jetzt in die Kinos drängen. Doch es gibt auch düstere Wolken am Film-Firmament: Einige Kinobetreiber wollen Filme nicht zeigen, die zuvor bereits via Streaming verfügbar waren oder es in Kürze sein werden. So hatten beispielsweise Warner und Disney das Exklusivmodell des “Leinwand First”-Starts ausgehebelt und Filme wie “Wonder Woman 1984” oder “Godzilla vs. Kong”, eigentlich klassische Kino-Blockbuster-Ware, online zugänglich gemacht. Letzterer sorgte dann auch noch bei seinem Start im Kino für Mega-Zahlen. Das könnte ein Modell für die Zukunft sein, wo Filme sowohl im Kino als auch via Stream erfolgreich ausgewertet werden. Üblicherweise liegt das sogenannte Kinofenster – die exkusive Auswertung im Filmtheater – bei vier bis sechs Monaten. Es wird sich, da sind sich alle einig, in dieser Form nach der Pandemie nicht mehr halten lassen.
Erste Zahlen aus den US-Kinos, die bereits öffnen konnten, machen Hoffnung, dass das Publikum wirklich ausgehungert ist nach aushäusiger Unterhaltung: Dort schrieb beispielsweise der zweite Teil des Horror-Thrillers “A Quiet Place 2” in nur drei Tagen mit fast 50 Mio. Dollar fast dieselben Erfolgszahlen wie der erste Teil – und das trotz Zugangsbeschränkungen zu den Kinos. Auch “Fast & Furious 9” sorgte bereits am Startwochende mit einem Einspiel von 163 Mio. Dollar für das beste internationale Ergebnis eines US-Blockbusters in Coronazeiten. In Europa lief der Kinostart ebenfalls gut an. So punktete in Großbritannien “Peter Hase 2”, der ein Jahr auf seinen Kinoauftritt wartete, und Frankreich machte seinem Namen als Grand Nation du cinema einmal mehr alle Ehre mit einem Start von fast 300.000 Zuschauern am ersten Tag.
Viele Filmtheater haben den Lockdown genutzt, aufwendig renoviert und in bessere Technik und Ausstattung investiert, damit sich die großen Emotionen auf der Leinwand auch voll entfalten können. Das Filmprogramm ist dafür wie geschaffen: Vom Blockbuster bis zur Arthouse-Perle ist für jeden etwas dabei. Hier eine Auswahl der Filme, auf die Sie sich ab jetzt freuen können!

Marga Boehle

(schreibt u.a. auch für Blickpunkt:Film)

 

Nomadland (Start 1. Juli)

Sehnlichst erwartet seit seiner Premiere beim Festival in Venedig im September 2020 und seinem Siegeszug durch die Award Season mit drei Oscars (Bester Film, Beste Regie, Beste Hauptdarstellerin Frances McDormand) sowie zahlreichen weiteren Preisen. Mit ihrer Rolle der Fern verleiht Frances McDormand einer Frau, die nach dem Tod ihres Mannes in einem rostigen Autobus durch den Westen der USA von Job zu Job reist, um sich ihren bescheidenen Lebensunterhalt zu verdienen, unglaubliche Würde. Als moderne Nomadin verkörpert sie etwas, was zeitgemäßer nicht sein könnte: eine Wanderbewegung der Arbeit entgegen, ohne Verwurzelung und Absicherung, wie es sie tatsächlich gibt im einstigen Wirtschaftswunderland USA. Chloé Zhao, Regisseurin mit chinesischen Wurzeln, schickt ihre Protagonisten – neben Frances McDormand und David Straithairn nur Laiendarsteller, echte Nomaden – on the road, nutzt den Western-Topos der Konfrontation des Menschen mit den Weiten der Natur und interpretiert ihn neu. Starkes Kino, das Demut zeigt vor seinen Figuren und uns in unserer Menschlichkeit anspricht.

Ich bin dein Mensch (Start: 1. Juli)

Maria Schraders Sci-Fi-Comedy sorgte bei der Berlinale für Furore: Im neuen Drama der für die Serie „Unorthodox“ vielfach ausgezeichneten Regisseurin werden philosophische Fragen lässig und witzig in Form einer romantischen Komödie verhandelt. Wissenschaftlerin Alma (mit dem Silbernen Bären ausgezeichnet: Maren Eggert) erklärt sich zu Forschungszwecken bereit, drei Wochen lang Tisch und Bett mit dem humanoiden Roboter Tom (spricht deutsch mit hinreißend britischem Akzent: Dan Stevens) zu teilen. Das Projekt soll klären, ob Roboter als mögliche Lebenspartner von Menschen zugelassen werden können. Alle Irrungen und Wirrungen der Gefühle vorprogrammiert! Schrader, die schon mit dem Stefan-Zweig-Drama „Vor der Morgenröte“ überzeugte, dreht in Kürze ihren ersten US-Film nach dem New York Times-Bestseller „She Said“ um die beiden NY Times Reporter, die den Weinstein-Sex-Skandal aufdeckten.

Catweazle (Start: 1. Juli)

Deutsche Adaption der britischen Kult-Serie aus den 1970er Jahren, in der ein Hexenmeister 1020 vor den Normannen fliehen muss und sich und seine Kröte versehentlich in einen deutschen Keller zaubert. Der 12-jährige Benny (Julius Weckauf aus „Der Junge muss an die frische Luft“) hilft ihm bei der Suche nach seinem Druidenstab, mit dessen Hilfe er in seine Zeit zurückkehren kann. Doch Catweazle findet immer mehr Gefallen an dieser seltsamen Moderne... 

Die deutsche Komödie von Sven Unterwaldt vereint den Regisseur erneut mit seinem „7 Zwerge“-Star Otto Waalkes. Und findet mit ihm ihren eigenen Ton und Humor.

Godzilla vs. Kong (Start: 1. Juli)

Der Monster-Showdown ist Popcorn-Kino par excellence und sorgte beim US-Start für Boxoffice-Euphorie. Im Zweikampf um den Titel King of Monster liefert die SciFi-Action genau das, was die Fans erwarten. Und das ist gut so.

In the Mood for Love (Start: 1. Juli)

Wong Kar Wais Kultfilm aus dem Jahr 2000, für manche der schönste Liebesfilm aller Zeiten und weltweit vielfach ausgezeichnet, erlebt seine Wiederaufführung technisch brillant in restaurierter 4K-Fassung.

Wer wir waren (Start: 8. Juli)

„Wir hatten unserem Verschwinden nichts entgegenzusetzen. Wir waren jene, die wussten, aber nichts verstanden.“ Mit dieser Bestandsaufnahmen vom Zustand der Welt beginnt Marc Bauders eindringlicher Dokumentarfilm nach der Buchvorlage des unvergessenen Roger Willemsen. Ein aufrüttelnder Appell, unseren Planeten zu schützen, mit Alexander Gerst und namhaften Wissenschaftlern und Philosophen.

Minari – Wo wir Wurzeln schlagen (Start: 15. Juli)

Einen Oscar für die Beste Nebendarstellerin Youn Yuh-jung und einen Golden Globe als Bester Fremdsprachiger Film erntete, neben zahlreichen weiteren Preisen, die US-Produktion von Lee Isaac Chung. Sie ist auch biografisch zu sehen, die berührende Geschichte einer Familie mit zwei Kindern, die in den 1980er Jahren von Kalifornien in die Ozarks in Arkansas zieht, wo der Vater mit harter Arbeit seinen amerikanischen Traum erstehen lässt: eine eigene Gemüse-Farm. In seiner vierten Regiearbeit verarbeitet der koreanisch-stämmige Filmemacher seine eigene Kindheit in Arkansas.

Nebenan (Start: 15. Juli)

Daniel Brühls Regiedebüt, in dem er auch selbst die Hauptrolle übernimmt, feierte Premiere bei der Berlinale. In einer Eckkneipe in Berlin treffen Brühl und Peter Kurth als zwei grundverschiedene Typen aufeinander. Daniel Brühl spielt einen Filmstar kurz vor seinem Hollywood-Durchbruch, Kurth einen Mann, der mehr über ihn weiß, als ihm lieb sein kann. Das Drehbuch schrieb Daniel Kehlmann.