Was macht eigentlich Jürgen Fried, Ex-OB von Neunkirchen?
Außer Dienst und doch in Diensten
Neunkirchen. Das Leben ist Wandel. Und wie sich das Umfeld wandelt, so wandeln sich auch die Menschen und das, was sie tun. Viele Menschen erlangen im Laufe ihres Lebens auf die ein oder andere Weise Ruhm, jeder kennt sie. Irgendwann ziehen sie sich aus der Öffentlichkeit zurück. Aus den verschiedensten Gründen. In dieser Serie gehen wir der Frage nach „Was macht eigentlich ...?“. Heute: Neunkirchens Ex-OB Jürgen Fried.Auf diese Frage, sicher gut gemeint, antwortet Jürgen Fried gewöhnlich nicht mehr. „Wie issen es so als Rentner?“, heißt es öfter beim Bäcker oder sonstwo. „In den ersten Wochen nach meiner Verabschiedung als Oberbürgermeister habe ich dann noch erzählt, was ich jetzt so alles mache“, sagt Jürgen Fried im Gespräch mit unserer Zeitung. Denn die Füße hoch legen und gar nichts tun, das ist nicht das Ding des 67-jährigen Juristen und ehemaligen Verwaltungschefs der zweitgrößten Stadt des Saarlandes.
So etwa 25 Stunden arbeite er noch wöchentlich in den verschiedensten Bereichen, „das reicht für einen Rentner“, meint Fried lächelnd. Zwei Mal die Woche sitzt der Vorsitzende der Günter Rohrbach Filmpreis Stiftung in seinem Büro in der Büchelstraße. Hier, in einem mehrstöckigen Bürogebäude auf dem ehemaligen Gelände der Schloss-Brauerei, haben sich auch Vertreter der Kreativwirtschaft angesiedelt. Passt ja zur Filmbranche, in der sich der gelernte Jurist bestens auskennt. In den 90er Jahren war er gemeinsam mit dem Neunkircher Filmschaffenden Günther Ruschel Gründer und Mitinhaber der Filmproduktionsgesellschaft „Ruschel und Fried“. Und als Oberbürgermeister seiner Heimatstadt Neunkirchen entdeckte Fried bei einer Recherche, dass der berühmte Kinofilm- und Fernsehproduzent Günter Rohrbach („Das Boot“, „Die unendliche Geschichte“) am 23. Oktober 1928 in Neunkirchen geboren wurde.
Im vergangenen November wäre der mit ihm initiierte und nach ihm benannte Filmpreis zum zehnten Mal in der Gebläsehalle im festlichen Rahmen und mit großem Publikum verliehen worden. Die Corona-Pandemie verhinderte dies bekanntermaßen. „Doch dieses Jahr“, so hofft Jürgen Fried, „muss das funktionieren.“ Regelmäßig stehe er mit den Filmschaffenden in Kontakt, wäre jetzt im Februar auch auf der Berlinale in Berlin gewesen. „Berlin, Kreuzbergstraße“ steht übrigens als Zweitsitz der Neunkircher Filmstiftung auf dem Briefkopf. „Da spielt halt die Musik.“
Der Neunkircher Filmpreis spielt zwar nicht die erste Geige, hat sich aber in der Filmbranche durchaus einen Namen gemacht. In Frieds Büro unterstreichen dies Fotos mit den prominenten Vorsitzenden der Jury – ob Burkhart Klaußner, Barbara Auer, Elmar Wepper oder Nicolette Krebitz. Nein, Senta Berger haben weder wir noch Jürgen Fried vergessen. Im ersten Wettbewerbsjahr hatte die Münchner Filmschauspielerin, von 2003 bis 2010 an der Seite von Günter Rohrbach die erste Präsidentin der Deutschen Filmakademie, den Juryvorsitz des Neunkircher Festivals inne. Aber leider ist der Fotorahmen kaputt gegangen, ein neuer muss her.
Nach seiner Verabschiedung als Oberbürgermeister im September 2019 wurde Fried von Kollegen in Saarbrücken-Güdingen gefragt, ob er wieder als Rechtsanwalt arbeiten wolle. Und weil es vom Fulltime-Verwaltungsmanager zum Rentner doch ein allzu großer Sprung gewesen wäre, stimmte der heute 67-Jährige zu. „Ich bin froh, dass ich in der Kanzlei ‚of counsil’, also in beratender Funktion, arbeiten kann.“ Zwei Mal die Woche steht er den Anwaltskollegen bei Bedarf zur Seite, nutzt sein Wissen und die Kontakte auch für die ein oder andere Beratung im Unternehmensbereich.
Und dann ist da ja noch das große Faible für die Kultur. Mit dem Neunkircher Musical-Projekt hat er nur noch als Zuschauer zu tun. Als Vorsitzender des Kutscherhaus-Vereins engagiert sich Fried im soziokulturellen Bereich. Das Kreativzentrum, das Mitmachangebote für die Bürgerinnen und Bürger bietet, ist zwar durch Corona etwas ausgebremst, stellt aber trotzdem noch einiges auf die Beine. Für freischaffende Künstler sei die Pandemie eine Katastrophe. „Ich bin gespannt, wie viele nach Corona noch ihrer Tätigkeit nachgehen können“, fürchtet Fried ein Ausdünnen der Szene.
Durch die Partei hat der Sozialdemokrat Jürgen Fried die Möglichkeit bekommen, erst Bürgermeister und dann Oberbürgermeister Neunkirchens zu werden. Parteipolitische Ambitionen habe er nie gehabt, aber Oberbürgermeister sei eine sehr reizvolle Aufgabe gewesen. Ein OB habe sogar mehr Möglichkeiten als ein Minister und könne in allen Lebensbereichen mitgestalten. Zufrieden zeigt sich Fried mit dem, was er in die Wege leiten oder während seiner Amtszeit vollenden konnte. Die Bliesterrassen seien hier beispielhaft genannt. Gerne hätte er noch die Eröffnung von Globus, dessen Ansiedlung er initiiert habe, über die Bühne gebracht. Vielleicht lädt ihn ja Globus-Chef Bruch zum Band-Durchschneiden ein. Ansonsten sieht er die Dinge pragmatisch. „Alles hat seine Zeit.“ So würde er sich auch nicht in operative Dinge der Stadt Neunkirchen einmischen, betont der ehemalige Verwaltungschef.
In seiner Freizeit hält sich der ehemalige Handballer, Ex-Handballpräsident und heutige Ehrenpräsident mit speziellem Rückentraining fit und „schnellem Spazierengehen“. Ehefrau Margit, ebenfalls Rechtsanwältin, hat Ende letzten Jahres in der Kanzlei aufgehört. Beide freuen sich, wenn Tochter Isabell und der Schwiegersohn aus Frankfurt zu Besuch kommen. Coronakonform, denn sie hat noch eine Wohnung im Haus. Tochter Isabell hat ebenfalls Jura studiert, arbeitet im Justiziariat des Hessischen Rundfunks als Spezialistin für Medienrecht. Und an dieser Stelle sei verraten: Der Papa würde sich freuen, wenn er irgendwann Opa werden würde. Vielleicht antwortet Jürgen Fried dann auf die leidige Rentnerfrage: „Ich gehe spazieren mit dem Enkelkind.“
Heike Jungmann
Redakteurin Saarbrücker Zeitung